Der siegreiche Glaube

Predigt zum 17. Sonntag nach Trinitatis

(ev.-luth. Erlöserkirche, Düsseldorf, 16. Oktober 2011)

Predigttext: Hebräer 1, 1-3

„Das glaubst du doch selbst nicht!

Das, was du mir gerade erzählt hast. Das geht doch gar nicht. Das ist nicht möglich!

Ich weiß das. Wie willst du das denn hingekriegt haben? Nein, den Bären kannst du mir nicht aufbinden. Das glaubst du doch selbst nicht!“

Doch, ich glaube es. ich bin sicher, es ist so. Es geht.“

Glaube eine gewisse Zuversicht. Oder, wie Luther erst übersetzt hat: eine Art Besitz. Glauben hat man. Man hofft, dass es so ist, aber man ist davon auch überzeugt, dass es so ist. Glaube ist nichts Ungefähres, nichts Unbestimmtes. Wie aber soll das gehen?

Ein solcher Glaube, ist er nicht ein wissender Glaube? Einer, der eine sichere Grundlage hat? Ein Besitz eben oder eine Zuversicht, eine innere Sicherheit, die gewiss ist, die man “ge-wiss“- weiss?

Aber wie sicher ist diese Sicherheit? Reicht sie so weit, dass man die kleinen und die großen Katastrophen des Lebens aushält, die subjektiv schrecklichen und die wirklich bedrohlichen?

Durch den Glauben ward gehorsam Abraham, da er berufen ward, auszugehen in das Land, das er ererben sollte; und ging aus und wußte nicht wo er hinkäme,“ heißt es im folgenden. Welche Zuversicht hatte Abraham, warum war er so sicher, dass er sich auf eine weite Reise ins Ungewisse machte? Das Land, das ihnen Heimat bedeutete, das angestammte Land verliess, das Land, indem sein Stamm (deshalb angestammt) wohnte: der hatte eine größere Bedeutung als das soziale Netz von heute. Wenn Abraham mit Sara und Lot und allen Knechten und Mägden loszieht, dann geht er ins Ungewisse, begibt sich unter Leute, die seinen Glauben nicht teilen. Unter Menschen, die nicht gerade erfreut sein werden, wenn da einer mit großen Herden kommt und ihnen das Land wegnehmen will.

Wir müssen passen: wir wissen nicht wirklich, warum Abraham so sicher war. Aber er muss ungeheuer sicher gewesen sein, dass er alles auf sich nahm. Wir dürfen annehmen, dass er in diesen Glauben hineingewachsen war, dass alle seine Leute diesen Glauben an den einen Gott hatten – im Gegensatz zu jenen Menschen mit vielen Göttern, die nur lokal mächtig waren. Sein Vater Tharan hatte diese Zuversicht, wahrscheinlich der ganze Stamm Sem. Der Gott Abrahams und seiner Leute ist immer und überall. Er hat den Menschen geschaffen und kümmert sich um ihn. Und dieses Wissen wurde nicht, wie heute üblich hinterfragt und erst einmal bezweifelt. Mir scheinen viele Menschen heute blind, was das Sehen Gottes angeht. Und sie haben sich leider in ihrer Blindheit komfortabel eingerichtet. Wie aber wollen Blinde einen Weg zurücklegen….

Wahrscheinlich hatten die Menschen damals Gott erfahren. Und sie waren sensibel genug, dass zu erkennen. Nicht der Zufall, oder „noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen, Glück gehabt“, sondern: Gott war es, der mich behütet hat.

Der dich behütet hat, und eigentlich weißt du es, aber du traust dich nicht, es zu sagen, die anderen werden es nicht verstehen. Vielleicht bist du viel zu vorsichtig. Vielleicht verstehen sie es doch!

Und: Wer sonst wenn nicht du kann erklären, das Gott dich bewahrt hat! Wer sonst, wenn nicht du kann erklären, dass weder dein Verstand noch der gedeckte Tisch ein Produkt des Zufalls sind, sondern eine Gabe Gottes.

Vielleicht war es auch das, was Abraham und seine Leute bewegte, so wie es Luther in seiner Erklärung zum ersten Artikel  des zweiten Hauptstücks ausgedrückt hat:

„Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen, Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält; dazu Kleider und Schuh, Essen und Trinken, Haus und Hof, Weib und Kind, Acker, Vieh und alle Güter; mit allem, was not tut für Leib und Leben, mich reichlich und täglich versorgt, in allen Gefahren beschirmt und vor allem Übel behütet und bewahrt; und das alles aus lauter väterlicher, göttlicher Güte und Barmherzigkeit, ohn all mein Verdienst und Würdigkeit: für all das ich ihm zu danken und zu loben und dafür zu dienen und gehorsam zu sein schuldig bin. Das ist gewisslich wahr.“

Das, was Menschen von Gott aussagen können als ein menschliches Wissen: z. B: eine sichere und eindeutige Erfahrung des Volkes Israel unter Mose: der Auszug aus Ägypten, alles, was mit Jesus und seinem Erdenleben zusammenhängt, das hängt nicht vom Gefühl ab, das unterliegt nicht Stimmungsschwankungen, das lässt sich auch in Katastrophenzeiten bewahren – und trägt dann: Glauben als Wissen. Gewiss ist Jesus gekommen, uns zu erlösen, zu erretten. Gewiss bekommt das Leben einen tiefen Sinn, wenn und weil Gott, der uns liebt, alles geschaffen hat und noch erhält. Gewiss ist deine Taufe, auf einem Blatt Papier, der Taufurkunde, festgehalten wie die Bedeutung der Taufe in der Heiligen Schrift: Du gehörst zu Gott, er will dich zu sich ziehen er will dein Glücklichsein, dein Seligsein. Er hat dich der Macht des Bösen entrissen. Gewiss ist deine Taufe, geschichtlich sicher ist: Du bist an einem bestimmten Datum getauft worden. Wer das wegredet, herunterspielt, unsicher macht, wer so zerredet, mit dem kann man nicht mehr sinnvoll reden.  Wer so zerredet, der will von Gott wegluchsen – „Hebe ich hinweg, Satan!“

Aber noch etwas muss uns hier klar sein. Wenn Glauben auch Wissen ist, Fakten, dann muss man sich darum kümmern, dass man dieses Wissen behält und erweitert. Das tun wir Menschen doch sonst auch mit all unserem Wissen, das uns wichtig ist. Nennt man so etwas nicht berufliche Fort- oder Weiterbildung? Da werden wir dann sicherer und besser in unserem Beruf. Da wissen wir Zweifeln zu begegnen und wissen mit unserer Erfahrung besser umzugehen.

Sollte es mit dem Glauben als Wissen nicht genau so sein? Der Apostel Paulus kannte dieses Problem, und er drückt es so aus: Milch gab ich euch zu trinken, nicht feste Speise, denn ihr konntet [sie] noch nicht [vertragen]. Ja, auch jetzt könnt ihr’s noch nicht, denn ihr seid noch fleischlich.“ (1. Kor. 3) Milch bekommen Babys. Als Bild für Anfänger im Glaubensleben an Gott. Aber wer genug Milch bekommen hat, der sollte auf feste Speise übergehen. Bei unseren Kinder jedenfalls haben wir es so gemacht. Ein Säugling bekommt eben Muttermilch, aber ein 20-jähriger, der kann schon eine Schweinshaxe bewältigen.

Wenn es im Glauben so nicht geht, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir glaubensschwach werden – schwach wie ein 20-Jähriger, der nur Milupa bekommt. Ehrlich, das ist sogar richtig krank! Also sollten wir nicht müde werden, Gottes Wort zu erforschen, uns ihm Gebet zu nähern, durch es Gott zu uns sprechen lassen, mit ihm erkennen, was Gott will – und was nicht.

„Kleine Sünden straft Gott sofort“ – aber tut er das wirklich? Wir sagen den Spruch als Scherz, wir sagen manches dahin – es ist das nicht ganz ungefährlich, irgendwann glaubt es jemand doch. Gott möchte nicht nur nicht strafen, weder große noch kleine Sünden, er möchte sie dir vergeben können. Weil du sie ihm bekennst, beichtest, wie wir es vorhin getan haben. Und vergeben ist vergeben.

Du ahnst: Wenn man um diese Dinge nicht genau weiss, dann schleicht sich falsche Münze ein, der Glauben: das Wissen um Gott, wird getrübt, verfälscht. Und irgendwann ist es nicht nur keine Schweinshaxe, es ist auch keine gute Milch mehr: es ist Verdorbenes.

Dieser Tage fragte ein Schüler nach: „Jesus befiehlt?“ Das passte nicht in sein Jesusbild und seine Vorstellung vom Christentum. Alles so lieb, alles beliebig, eine Wohlfühlreligion, dienstbereit für Taufe und Hochzeit. Die Kirche, der Serviceleister, ist mich da, und ich bekomme. Aber Jesus befiehlt? Er richtet einen Anspruch an mich?

Der Schüler wußte nicht, er versuchte es noch mit Milch. Und die feste Speise, die er doch dringend brauchte – ihre Existenz überraschte ihn. Wir haben dann einen Blick in die Bergpredigt geworfen. Jesu „Befehle“ sind genau genommen freundliche, aber eindeutige Hinweise. Jesu Worte sind Aufforderungen zum Denken in Richtung Gott. Jesus befiehlt nicht, und du gehorchst nicht mit Kadavergehorsam. Jesus ruft, und sein Rufen nimmt einen jeden ernst. Aber falsch ist es zu meinen, der liebe Gott wird es schon richten. Ist ja egal, wird ja schon gut werden. Die Freiheit nehm ich mir, die Freiheit, erst einmal Gott zurückzustellen. Diese Art Freiheit ist untergangsgeeignet.

Da fragte sie ihn: „Glaubst du mir? Wirst du tun, was ich sage?“  „Es ist aber der Glaube eine gewisse Zuversicht des, das man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, das man nicht sieht.“ (Hebr. 11,1)

Du siehst es nicht, glaubst du mir, dass es dennoch da ist? Was für ein Blödsinn? Aber sei mal ehrlich:

Kann man wirklich alles sichtbar machen? Beweisen? Glauben ist auch Vertrauen, und das muss sich als begründet erweisen. Man kann es nicht sehen, man kann es nicht beweisen. Selbst mit dem Besitzen ist das so eine Sache. Wenn man Vertrauen nicht lebt, besitzt man es auch nicht. Dann schwindet es. Ebenso ist es mit der Liebe. Ich meine jetzt eine Liebe wie zwischen Kindern und Eltern beispielsweise. Die lebt man. Aber verfügen kann man darüber nicht. Nur leben. Und dann wird sie immer gewisser.

Dieser Tage wird in Bremen eine Edvard- Munch- Ausstellung eröffnet. Munch war ein norwegischer Maler, dessen Bilder diese Problematik des menschlichen Lebens thematisieren. Liebe, Angst, Verlust von Menschen, von Eigenschaften des Menschlichen in seinen verschiedenen Lebensphasen. Munchs Bilder predigen die dunkle Seite des Lebens. Die Darstellung verwendet Formenvereinfachungen und Muster der Darstellung, wie wir sie in technischer Hinsicht von Ikonen kennen. Munch malt sozusagen Negativikonen. So sehen Menschen aus, die nicht glauben, die alleingelassen sind mit ihrer Angst. Menschen, die nicht vertrauen können. Das wohl berühmteste Bild Munchs heißt „der Schrei“.  Der Form gewordene Schrei ist im hintersten Winkel des Bildes zu hören: die Form durchzieht alles. So wie

Ikonen auf die Heiligkeit Gottes hinweisen, auf das Heil in ihm, so weist der Schrei auf ein tiefes Entsetzen hin: auf den Menschen, der gefangen ist in der Welt des Bösen.

Glaube ist Vertrauen, dass Gott, der uns in Jesus Christus als Mensch begegnet, uns dem Entsetzen, der bösen Welt nicht preisgibt, sondern aus ihr heraus rettet. Diese Vertrauen muss wachsen. Und es wächst, wenn es täglich gelebt – riskiert wird. Das ist nun kein lehrbarer Besitz mehr. Aber es ist eine immer gewissere Zuversicht: Jesus lebt, mit ihm auch ich. Jesus liebt, und er liebt mich. Dem Schrei des Entsetzens setzt er sein Osterlachen entgegen. Wahrlich auferstanden, Tod, wo ist dein Stachel nun?

„Ich glaube, ich mach das mal so. Ich glaube, das ist richtig so.“ – Man könnte auch sagen: Ich meine, ich denke, ich mach das mal so. Das ist weder Wissen um Gott und von Gott noch Vertrauen in Gott.

Aber wie soll man dann Sätze wie: „Mein Glaube hat mir sehr geholfen“ verstehen?

Und – wieso „mein Glaube“? Das ist doch verräterisch.  Hat wer so redet, sich seinen Glauben selber gemacht? Sich selbst zusammen gesucht, was ihm passt, um sein Phantasieprodukt damit auszustaffieren? Kein Wissen, kein Vertrauen. Aber eine Religion: ein sich selbst an etwas binden. An ein höheres Wesen. Untersuchungen haben gezeigt, dass viele Menschen in Deutschland so verfahren. Sie glauben, dass ein Gott ist. Aber ist nicht der Gott, der sich in der Bibel offenbart. Es ist der Gott, wie sie ihn gerne hätten. Sie bauen sich ihre Religion, ihren Glauben zusammen. Ist das Gott oder ein Götze?

Jedenfalls ist der Gott der Bibel genauso nicht. Durch den Glauben ward gehorsam Abraham, da er berufen ward, auszugehen in das Land, das er ererben sollte; und ging aus und wußte nicht wo er hinkäme. Das ist keine Religion. Das ist Vertrauen auf der Basis eines Wissen, das wir heute nicht mehr im Einzelnen erkennen können.

Liebe Gemeinde, wir wollen uns das nicht einreden lassen, auch wenn wir es immer wieder hören: Wissenschaftler mögen ja das Christentum als Religion bezeichnen. Sie mögen vom Protestantismus und Katholizismus reden. Aber dann reden sie an ihm vorbei. Nicht ohne Grund heißt es Christentum und nicht Christizismus. Das Wort gibt es ursprünglich überhaupt nicht. Und das ist gut so. Der Glaube ist weder eine Religion noch ein -ismus. Das Vertrauen in Gott kann doch nur sein, weil Gott lebt. Und kein -ismus ist.

Wer von Christizismus redet, der leugnet Gott. Und nur wer dieses Vertrauen in Gott lebt, weiß überhaupt, wovon die Rede ist.

„Durch den Glauben gingen die Israeliten durchs Rote Meer wie durch trockenes Land; was die Ägypter auch versuchten, und ersoffen.“ Da haben sie Gott vertraut. Während die Ägypter das Gegenteil taten: die Berechtigung des Vertrauen leugneten, also Gottes Macht.

Wie die Ägypter machen es viele Menschen – und sie gehen bis heute genauso unter. Aus ihrem Leiden wird der Schrei der Gottesferne.

Wir wollen getrost – und getröstet- dagegen halten. Wir wissen um Jesus, wir wissen von ihm, und wir kennen ihn und wollen ihn immer besser kennenlernen. Vertrauen lernen. Aus diesem leben. Aus diesem Vertrauen. Lass die Weisen sich ihre Philosophien ausdenken, die Wissenschaftler versuchen, unser Vertrauen als ein religiöses System zu beschreiben. Sobald sie das tun, haben  sie verspielt.

So wie die Gescheiten, die die Liebe zwischen Mutter und Kind in dicken Büchern systematisieren wollen. Es ist viel einfacher, ganz einfach: das Kind weint, die Mutter nimmt es in ihre Arme und tröstet es. Das Kind kennt die Stimme der Mutter, es weiss, dass es vertrauen kann – und es vertraut und hört auf zu weinen.

So weinen wir im Geheimen unsere Angst, das ist vielleicht nicht männlich und nicht eine moderne emanzipierte Frau, aber es ist so. Darüber redet man nicht, ausser in Selbsterfahrungsgruppen, darüber braucht man oft auch nicht viele Worte zu machen. Denn Gott will uns trösten, und wenn wir seine Stimme kennen, wenn wir darin geübt sind, ihm zu vertrauen, dann werden wir still in ihm. Gleich kommt er zu uns im Abendmahl, nicht nur „Brot des Lebens“, sondern das ewige Leben selbst will unter der Gestalt des Brotes und des Weins zu dir kommen. Auch darüber kann man eigentlich nicht viele Worte machen. Aber man kann sich dem öffnen. Vertrauensvoll, denn man weiss gewiss darum.

Erinnerst du dich, als dein Kind auf einer Mauer stand, über dir? Und du lachtest und öffnetest die Arme und sagtest: Komm doch. Und dein Kind lies sich fallen, Es vertraute dir, und da war es in deinen Armen. Geborgen.

Das ist alles. So ist der siegreiche Glaube. Komm doch, sagt Jesus. Und die Seinen sagen seit bald 2000 Jahren: Maranatha. Unser Herr, komm!

Amen

Pfr Winfried S. Küttner, PhD

Erlöserkirchengemeinde Düsseldorf
Eichendorffstr. 7
40474 Düsseldorf

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