Predigtmeditation, gehalten am 19. November im Rahmen der Geistlichen Abendmusik in der Erlöserkirche Düsseldorf.
I
„Blessings, John“ stand unter dem e-Mail. Blessings – als Segenswünsche.
Blessings: der Segen, den man erfahren hat. Den man erfahren soll.
Gesegnet möge man sein. Und ein Segen für viele.
„Du sollst ein Segen sein.“ So sagte es ewige Gott zu Abraham. Und durch die Geschlechter, also die Nachkommen, die in ihm gesegnet waren, wurde Abraham zwar nicht ewig wie Gott, ohne Anfang und ohne Ende. Aber seine Zeitlichkeit wurde überhöht. Wie viele Menschen sind schon von dieser Erde gegangen und längst vergessen. Aber Abraham – wie Gott ihm begegnete und ihn segnete, das ist nicht vergessen.
„Du sollst ein Segen sein.“
Etwas Gutes, Gutes-Tuendes.
Kinder sind ein Segen. So sagt man, so sagen die, die Kinder lieben.
In einer Gesellschaft ohne Rentenversicherung und Pflegedienste, wie es früher einmal war, da waren tüchtige Kinder, die anpacken können, ein Segen: Sie unterstützten die altgewordenen Eltern, deren Kraft langsam schwand. Die nicht mehr ihren Lebensunterhalt verdienen konnten, ihr Leben organisieren, ihren Haushalt in Schuss halten konnten.
Wenn dann die Kinder halfen, dann war das ein Segen. Auch wenn es heute Seniorenresidenzen, Altenheime und Pflegedienste gibt – was ist das gegen eine liebende Tochter oder einen liebenden Sohn, der oder dem man vertrauen kann?
In Rio de Janeiro steht sie, die große Christusstatue. Segnend breitet sie die Arme aus.
„Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn, mein Jesu, ich lasse dich nicht, du segnest mich denn!“
So hat es Bach vertont in seiner großen Motette. Und ihm persönlich war es ernst damit.
„Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn!“ (1. Mose 32. 27) So sagte es Jakob nach der Nacht des Ringens mit Gott am Jabbok. Der Jabbock mündet in den Jordan, in Jakob aber ging der Segen Gottes ein. Und der, mit der rang, das war ein Bote Gottes.
Ja, an Gottes Segen ist alles gelegen.
Aber was ist Segen?
II
„Gottes Segen hat etwas mit Heil, Heilung, Shalom-Frieden zu tun. Etwas soll gut oder besser werden.“ So schrieb einer im Internet.
Abgesehen davon, dass der Satz ja ziemlich undeutlich bleibt:…hat etwas zu tun mit… ist ja eine sehr geschützte Aussage: ich kann oder will mich nicht festlegen! – Nein!
Gottes Segen hat nicht mit Sholom etwas tun. Das klingt zwar schon fast poetisch. Trotzdem: Nein.
Segen hat auch nichts mit „Heile, heile Segen“ zu tun.
Heile, heile Segen
sieben Tage Regen,
sieben Tage Sonnenschein,
wird alles wieder heile sein.
Heile, heile Segen,
sieben Tage Regen,
sieben Tage Schnee,
tut dem Kind schon nicht mehr weh.
Das ist doch nur ein Ablenkungsmanöver. Kluge Kinder merken, dass es weiter weh tut und sie wissen, dass sie besser den Mund halten – wer weiß, was da noch kommt. Ausserdem ist es schön, wenn sich jemand um einen kümmert. Also gehen wir mal drauf ein. (So haben es Kinder mir selbst gesagt….)
Solche Verse liegen nahe an der Magie. Und die ist gewiss nicht von Gott. Ganz im Gegenteil. Magie ist kein Spiel, schon gar kein Kinderspiel. Es bedeutet letztendlich, Gott nicht mehr alles zuzutrauen, von ihm nicht alles zu erwarten. Magie widerspricht dem ersten Gebot, zuletzt dadurch, weil sie Gott nicht Gott sein lässt sondern lächerlich macht und vermenschlicht.
Und doch:
Gottes Segen ist etwas. Er ist sehr konkret.
„Du sollst ein Segen sein.“ Das Zitat ist unvollständig. Fahrlässig unvollständig. So ist es richtig:
„Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein.“ 1 Mose 12,2
Ein Segen kann nur sein, wer Segen empfangen hat.
Das gilt sogar in der sprichwörtlichen Verständnisebene. Der Segen, den die fürsorgliche Enkelin austeilt, den hat sie selbst empfangen. Sie hat es gesehen, sie hat es gelernt und erfahren, was es heißt, fürsorglich zu sein.
Gottes Segen also empfängt man. Er wird auf einen gelegt, ja, er kann sogar auf Dinge und Tiere gelegt werden. Das scheint uns merkwürdig, weil es nicht unsere tagtägliche Praxis ist. Aber ein geweihter Altar ist ein gesegneter Tisch, wohl ausgesondert, also wird er nicht mehr wie ein normaler Tisch gebraucht. Ein Orgel, das Kirchgebäude, die Stola: alles geweiht oder gesegnet.
In der Heiligen Schrift steht es doch:
„Und Gott schuf große Walfische und allerlei Getier, dass da lebt und webt, davon das Wasser sich erregte, ein jegliches nach seiner Art, und allerlei gefiedertes Gevögel, ein jegliches nach seiner Art. Und Gott sah, daß es gut war. Und Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und mehrt euch und erfüllt das Wasser im Meer; und das Gefieder mehre sich auf Erden.“ (1. Mose 21+22)
Also: Gott segnet, und daraus wird mehr.
Und daraus wird deutlich: So wenig ein Rind oder ein Tisch etwas tun kann, um Gottes Segen zu empfangen, so wenig können wir Menschen das.
Gott also handelt an uns.
Aber wie?
III
„Er – Jesus – führte sie – seine Jünger – hinaus bis nach Bethanien und hob die Hände auf und segnete sie. Und es geschah, da er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf zum Himmel.“ Lukas Evangelium, Kapitel 24, Verse 50 – 52
Auch wenn das eine besondere Schriftstelle ist – Jesus ordiniert die Jünger – Jesus segnet die Jünger, und nun wird Gott in ihnen und durch sie wirksam. Nicht wahr, bis Christi Himmelfahrt war ihr Handeln angstbestimmt. Aber nun werden sie aufgerichtet, aus der Angst wird Mut, pfingstlicher Mut, der sie bezeugen lässt: Jesus ist der Christus. Er ist der, auf den ihr alle wartet. Er ist der Herr, der allein erlöst.
Viel öfter aber noch hat Jesus die Hände aufgelegt, gesegnet, gebetet.
„Und sie brachten Kinder zu ihm, dass er sie anrührte….14Da es aber Jesus sah, ward er unwillig und sprach zu ihnen: Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solcher ist das Reich Gottes. Und er herzte sie und legte die Hände auf sie und segnete sie.“ Mark-Evangelium 10, 13-16 (Auszug)
Jesus soll die Kinder nicht berühren, sondern anrühren. Und dass das richtig ist, bestätigt er mit Worten und mit Gesten: „legte die Hände auf sie und segnete sie.“ Bei Matthäus heißt es an der Stelle, Jesus sollen die Hände auf die Kinder legen und beten.
So gehört das zusammen: Ein Segen ist ein Bitte an Gott, es ist der Zuspruch von Gott. Zum Segnen gehört auch der Gestus, bei Christen das Zeichen des Kreuzes, denn vom Gekreuzigten kommt, dass wir segnen dürfen, die Gabe Gottes auf Menschen legen dürfen.
Segen – auf lateinisch heißt das. benedictio: jemanden Gutes (bene) dicere -zusagen, zueignen.
Aber was ist das Gute, das Beste sogar, was Gott uns zusagen lassen kann?
Es ist der Geist Gottes, „der Geist Gottes ist auf mir, weil der Herr mich gesalbt hat.“ (Jes. 61,1)
Es ist der Heilige Geist, so wie es Luther ausgedrückt hat:
Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten; gleichwie er die ganze Christenheit auf Erden beruft, sammelt, erleuchtet, heiligt und bei Jesus Christus erhält im rechten, einigen Glauben; in welcher Christenheit er mir und allen Gläubigen täglich alle Sünden reichlich vergibt und am Jüngsten Tage mich und alle Toten auferwecken wird und mir samt allen Gläubigen in Christus ein ewiges Leben geben wird. Das ist gewisslich wahr.
Das ist der Segen an uns: wir sind um Christus versammelt, die Sünden sind vergeben. Im rechten Glauben sollen wir bleiben. Dazu brauchen wir Gottes Schutz und Hilfe. Dazu müssen wir gesegnet sein. Gesegnete, die den Segen weitergeben können und sollen.
Mit dem Heiligen Geist erfüllte.
Oder, wie es in einem Text heißt:
Lass dich segnen
Der Herr segne dich und behüte dich.
Er schaffe dir Rat und Schutz in allen Ängsten.
Er gebe dir den Mut, aufzubrechen und die Kraft,
neue Wege zu gehen.
Er schenke dir die Gewissheit, heimzukommen.
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.
Gott sei Licht auf deinem Wege.
Er sei bei dir, wenn du Umwege und Irrwege gehst.
Er nehme dich bei der Hand und gebe die viele Zeichen seiner Nähe.
Er erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir seinen Frieden.
Ganzsein von Seele und Leib. Das Bewusstsein der Geborgenheit.
Ein Vertrauen, das immer größer wird und sich nicht beirren lässt. *)
Amen.
P. Winfried S. Küttner, PhD
*)Quelle mir unbekannt.