Wie ist Gott?

Lieder (Nummern im ELKG): E 445, 1-5; G 102; P1 111, 1+4-5; P2 503; S 254, 5+6

Predigttext:

Röm. 11, 33-36

33 O welch eine Tiefe des Reichtums, beide, der Weisheit und Erkenntnis GOttes! Wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! 34 Denn wer hat des HErrn Sinn erkannt? Oder wer ist sein Ratgeber gewesen? 35 Oder wer hat ihm etwas zuvor gegeben, das ihm werde wieder vergolten? 36 Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.

Wie ist Gott?

1. Gott ist immer anders, als wir erwarten

Wie ist Gott? Wie sieht er aus? Ist er immer lieb? Dumme Fragen? Das 12-jährige Mädchen, dass da in Frankreich in der Perreux-sur-Marne eine Kirche anstecken wollte, hatte sich durchaus ein Bild von Gott gemacht. Warum hat er im letzten Jahr ihre kleine Schwester in einem Verkehrsunfall sterben lassen? Ja, Gott war Schuld, schließlich ist er doch der liebe Gott — wo ist da die Liebe? Dafür muss man Gott strafen – und den Altar anzünden.

Früher der Gott, der alles sieht, vor dem man immer Angst haben musste, heute der Gott, der nur lieb ist und für alles zuständig und verantwortlich ist, auch für das Verhalten von Verkehrsrowdys – Wie nun ist Gott?

In dem Film “Bruce Allmächtig” wird ein einigen wenigen Szenen Gott durch einen Schauspieler dargestellt. Die Frage, ob das nicht Gotteslästerung ist, soll uns jetzt nicht bewegen. Vielmehr: Wie stellt man Gott dar? Wie ist Gott? Der Film, der für ein mehrheitlich weißes Publikum gedreht wurde, zeigt Gott als älteren Mann – natürlich grauhaarig – natürlich! So stellen sich ihn ja viele vor. Aber dann – er hat schwarze Hautfarbe. Gott – ein Farbiger, ein Neger?

Das Mädchen und Bruce – und vielleicht auch unsere Vorstellungen: Gott ist sicher anders, als wir so denken. Schon unser Nächster ist ja nicht immer, wie wir es gerne hätten – sonst gäbe es zu Hause keine Streit. Es gäbe keine Ehescheidungen, niemand zöge vor Gericht wegen seines Nachbarns.

Aber Gott soll ein Abbild unserer Vorstellungen sein? Na, dann gäbe es ja Millionen und abermals Millionen verschiedene Götter.

Und: wenn Gott wirklich nicht mehr ist als ein Abbild unserer Phantasie, dann haben die Religionskritiker des 19. Jahrhunderts recht, die Nietzsches und die Feuerbachs und Karl Marx, die genau das behaupten: Gott sei nichts anderes als unsere Projektion, eine Wunschgebilde unserer Phantasie. Mehr nicht. Nach Feuerbach gibt es keinen persönlichen Gott.

Dem sei gleich entgegengehalten: Wir alle sind hier freiwillig, weil wir genau das andere erlebt haben und erleben: Es gibt ihn, den persönlichen Gott, es gibt Jesus Christus.

Aber: dieser Gott ist, wie er will. Nicht wie meine Logik, meine Wünsche, meine Hoffnungen. Gott ist. Und er ist unverfügbar. Gott regiert. Nicht ich, nicht du.

2. Gott ist unbeschreiblich

Die ersten Christen mussten sich mit dieser Frage noch nicht herumschlagen. Sie waren gläubige Juden, die nun in Jesus den Messias sahen, den Gesalbten Gottes, den im Alten Testament Verheißenen. Aber in dem Moment, in dem die Kirche aus mehr, aus viel mehr ehemaligen Heiden denn aus Juden bestand, tauchten fremde Vorstellungen und Erklärungsmuster auf. Es war ähnlich, wie es heute ist: Menschen konstruieren sich ihren Gott – durchaus guten Willens, weil sie die biblische Offenbarung nicht kennen und sie nicht verstehen. Oder verstehen wollen.

Damals gab es keine gedruckten Bibel für ein Ei und eine Appel – alles war von Hand abgeschrieben und richtig teuer. Informationen über Gott gab es nur in der Gemeinde, im Gottesdienst. Fragt sich, ob alle immer alles richtig verstanden haben…Und ob alle immer alles richtig gelehrt haben. Denn es gab auch keinen kleinen Katechismus zum Nachschlagen oder andere Bekenntnisschriften, die von der ganzen Kirche akzeptiert waren.

Die Christen damals haben darum gerungen, die richtigen Worte zu finden: Wie ist Gott? Wer ist Gott? Wer ist Jesus Christus? Wie hängt das zusammen: Jesus und Yhwh?

Wir haben eben mit voller Absicht unseren Glauben mit den Worten des Nicänischen Glaubensbekenntnisses, eigentlich des nicänisch-konstantinopolitanischen Bekenntnisses, ausgedrückt. Die Glaubensinhalte, die die rechtgläubige Kirche bekennt.

Das war erst 381 nach Christus fertig – viele Jahre, Zeit für viele Diskussionen, für viele Gebete. 381 Jahre – das wäre vergleichbar so, als hätten wir schon vor Bachs und Händels Geburt über Gott nachgedacht – eine lange Zeit.

Damals. 381, war die Zeit reif für grundlegende Formulieren. In einem Konzil in Konstantinopel, dem heutigen Istanbul (erst seit 1930 heißt die Stadt so!), fanden sich schließlich Mehrheiten – besser: Einmütigkeit: Das ist es, was wir über Gott bekennen wollen: Der eine Gott,‚ der da ist der Schöpfer, der Vater, und der Herr Jesus Christus, mit dem Vater eines Wesens, für uns gekreuzigt, auferstanden, vom Himmel gekommen und dahin zurückgekehrt und nun in vollständiger göttlicher Macht, wie er zur Rechten des Vaters sitzt. Und der Heilige Geist, der auch Herr- Kyrios – Gott ist. Im Ausgangstext für die Konzilsvorlage war über den Heiligen Geist noch nichts ausgesagt. Jetzt aber haben die Konzilsväter verstanden: Der Heilige Geist ist es, der lebendig macht: das geistliche Leben stiftet, der die Propheten zum Reden gebracht und ihnen die Worte gegeben hat. In der Taufe wird er gegeben. Die Kirche ist seine Schöpfung. Ihre Glieder wird er in die ewige Herrlichkeit zur Einheit des Vaters und des Sohnes mit dem Heiligen Geist führen: Zum einen Gott.

Von den damals ca 1800 Bischöfen kamen mehr als 300, also knapp 20 % mit ihren Priestern und Diakonen, darunter einer aus Persien und ein Gote, Bischof Theophilus Freund Gottes. So waren es ca. 2000, die das das Konzil verfolgten und die versuchten, Einfluss zu nehmen.

Der Kaiser – diese Randbemerkung kann ich mir nicht verkneifen – der Kaiser, der das Konzil einberufen und auch teilweise finanziert hat, schuf zu Beginn erst einmal Klarheit. Viele Bischöfe wollten nämlich ihre privaten Streitigkeiten untereinander im Konzil entschieden haben. Der Kaiser sammelte alle diese Eingaben und ließ sie dann kommentarlos verbrennen. Sinnloses Geschwätz, nichtiges Gegeifere. Was soll das? dafür reist man nicht von Germanien nach Vorderasien. – Beschränkung auf das Wesentliche, das noch kompliziert genug war: Wer ist Gott?

Das Ergebnis der Beratungen kennen wir. Es ist kompliziert genug. Und es betont, das Jesus Christus wahrer Mensch und wahren Gott war. Ungetrennt und unvermischt. Kann man sich nicht vorstellen. Aber nach Aussage der Bibel ist das so. Aber – kann man sich Gott überhaupt vorstellen?

Was sagt Paulus in unserem Predigttext über Gott?

3. Gott ist Gott für uns

Erst einmal drückt er aus, was man nur sagen kann, wenn man glaubt und etwas mit Gott erlebt hat. Und Paulus hat viel mit Gott erlebt. Übrigens auch Sachen, für die er hätte Kirchen anzünden können, hätte es sie damals schon gegeben. So wie das Mädchen aus Frankreich. Denn Paulus lebt nicht im Paradies. Man kann das im zweiten Korintherbrief im 11. Kapitel nachlesen: für Gott ausgepeitscht, gesteinigt, schiffbrüchig geworden. Aber auch von den Gemeinden keinesfalls immer nett behandelt. Einige bezweifeln schlicht, ob er überhaupt kompetent genug sei. USW. Immer auf Wanderschaft – zu Fuß, auf staubigen Straßen, durch unsichere Gegenden mit Straßenräubern. Paulus lebt ein farbiges Leben, gewiss, aber auch eines, in dem der Tod oft genug sehr nahe ist. Paulus war in Gottes Dienst. Er war ganz für Gott da. Aber: Immer wieder erfährt er: Gott ist für ihn da. Am Ende wartet immer wieder Gott auf ihn.

Und wie redet er über Gott?

“O welch eine Tiefe des Reichtums, beide, der Weisheit und Erkenntnis GOttes! Wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege!”

Und nun zitiert er das Alte Testament: den Propheten Jesaja und das Buch Hiob:

“Denn wer hat des HErrn Sinn erkannt? Oder wer ist sein Ratgeber gewesen?”

Ohne Zweifel: Wie wollen wir Menschen Gott verstehen? Wie will das Geschöpf den Schöpfer erkennen?

Hiob: ”Oder wer hat ihm etwas zuvor gegeben, das ihm werde wieder vergolten?”

Wer will mit Gott handeln oder rechten – Gott hat alles gegeben, alles ist von Gott. Alles. Unser Leben. Das, was unsere Tage füllt. Und die Nächte: Wir mögen verzweifeln, aber für und vor Gott macht es Sinn. Denn er hat es in seiner Dimension, in seiner Zeitlichkeit, in seiner Weisheit so eingerichtet. Ich gebe zu: Das ist einerseits ein harten Brocken. Andererseits entlastet es auch: Es ist nicht die Begrenztheit meines Denkens, mein Empfinden von Zeit, meine Kleinkariertheit das Maß der Dinge.

Paulus formuliert klar – besser sollte ich sagen: Gott gibt Paulus klar zu formulieren:

“Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit!”

Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge: Von Gott dem Schöpfer. Alles kommt von ihm. Durch ihn – durch Gott- den Sohn , durch den GottMenschen Jesus Christus wird alles in Ordnung gebracht, ein für alle Mal. Und ist es nicht der Heilige Geist, Gott der Heilige Geist, der uns zu Gott führt? So habe wir es im Kleinen Katechismus gelernt, und hier steht es: “Von ihm und durch ihn und zu ihm”.

Der Gott der Bibel ist kein Zaubermann, von dem man alles Schicke haben kann. Das neue Auto, die tolle Freundin oder den tollen Freund, Lenas Sieg in Oslo und tolle Ferien.

Der Gott der Bibel sagt dir: Tatsächlich, es ist alles geordnet. Aber nach Gottes Willen.

Und deine Frage sollte nicht nach dem Schicken sein, sondern wie Sinn erfüllt dein Leben ist und wo es hinführt. Das hat dann mit Gotteserkenntnis zu tun – allmählich im Laufe des Lebens wird manches Persönliche klarer. – Manches. Aber manches eben auch nicht…

Deshalb ist es so nötig daran festzuhalten: Gott ist da. Das hat er klar gemacht, indem Jesus zu uns kam. Und er ist für uns da. Auch wenn wir einsehen müssen: Die Weisheit Gottes ist nicht unsere Weisheit. Glücklicherweise. Und glücklicherweise ist sie viel weiser als unsere Weisheit.

Von ihm und durch ihn und zu ihm”. Das gilt uns. Wir sind von Gott – davon dürfen wir zeugen. Durch ihn können wir Nächstenliebe üben. Zu ihm richtet sich unser Gebet – der Gottesdienst, die Liturgie. Martyria, Diakonia, Liturgia.

4. Sind wir für Gott da?

Martyria: den Glauben zu bezeugen. Das tut man als erstes, in dem man wirklich und mutig als Christ lebt. Die Bibel, die die meisten Menschen lesen, ist nicht das Buch Bibel. Sondern es ist das Leben von Christen. Die Glaubwürdigkeit, die Ehrlichkeit. Die – wie das heute so schön heißt – die Authentizität. Wenn Christen von Freude im Glauben reden, aber miesepetrig herumlaufen, dann ist das kein gutes Buch. Oder anders: Was ist denn so empörend an den Skandalen der römischen Kirche in den letzten Wochen? Machen wir uns nichts vor: in den fünfziger und auch noch in den sechziger Jahren wurden Kinder geschlagen und sogar verprügelt: von Flensburg bis Regensburg – und nicht nur dort. Ist es nicht der Widerspruch zwischen dem Anspruch, den Gott der Liebe zu vertreten und der Wirklichkeit, als einzige Erziehungsmethode den Rohrstock oder den Gürtel zu haben und lieblos zu schlagen? Was für ein Buch!

Den Glauben bezeugen: des Glaubens leben. Liebe von Gott empfangen und Liebe weitergeben.

Das ist der zweite Schritt: Die Diakonie, der Dienst am Nächsten. Das nette Wort, wo andere schon längst Widerworte geben. Die kleinen Hilfeleistungen im Alltag. Auch wenn es unmodern ist, die Tür aufzuhalten – wer keine Hand frei hat, die Tür zu öffnen, wird sich freuen. Und was im Kleinen gilt, gilt auch im Großen.

Das dritte: die Liturgie. Der Gottesdienst. Da sind wir für Gott da. Wir drücken aus, was wir sagen müssen. Wir loben Gott, der uns so getreu erhält. Der uns durch die dunklen tiefen Täler unseres Lebens führt. Der uns das Licht zeigt, ja der selber das Licht ist. Der uns nicht fern ist, sondern im Abendmahl und in seinem Wort, der heiligen Schrift, zu uns kommt. Wenn du zu Hause deine Bibel öffnest, z.B. das Evangeliums des heutigen Sonntags nachliest – dann spricht doch Jesus zu dir, dann ist er bei dir in deinem Zimmer und sagt: ”Wer aber durch Gottes Geist geboren wird, bekommt neues Leben. Wundere dich deshalb nicht, wenn ich dir gesagt habe: Ihr müsst neu geboren werden.” Und dann: “Ihr glaubt mir ja nicht einmal, wenn ich von ganz alltäglichen Dingen rede! Wie also werdet ihr mir dann glauben, wenn ich euch erkläre, was im Himmel geschieht?” Und später:”Denn Gott hat die Menschen so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hergab. Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zugrunde gehen, sondern das ewige Leben haben.”

Wie antwortest du? ”Ich, ja, ich glaube dir Jesus. Und so werde ich nicht zugrunde gehen, sondern das ewige Leben haben.” So? Zum Beispiel? Und dann noch hinzufügen: Aber ich kenne jemanden, der das noch nicht weiß und erfahren hat. Lieber Jesus, offenbare dich ihm und stelle mich dazu in deinen Dienst. Denn du willst doch, dass möglichst viele gerettet werden. Dafür warst du doch auf Erden erschienen.” –

Liturgie: Wir danken Gott. Und Gott sei Dank – ihm sei Dank: er redet mit uns. Vergibt uns unsere Schuld. Er, von dem alles ist und durch ihn und zu ihm.

Trinitatis ist heute, der Sonntag der Dreifaltigkeit oder Dreieinigkeit. Das Urwunder Gott, im Glaubensbekenntnis beschrieben, es ist eigentlich ganz einfach:

Gott ist jenseits meines Verstehens. Ich kann nur Staunen. Nur Anbeten. Nur Danken.

Amen.

SDG

 

Pfr Winfried S. Küttner, PhD

Erlöserkirchengemeinde Düsseldorf
Eichendorffstr. 7
40474 Düsseldorf

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