Die Weisen sind gegangen

Die Weisen sind gegangen.
Der Schall verklang, der Schein verging,
der Alltag hat in jedem Ding
nun wieder angefangen.

Der Wanderstern verglühte,
kein Engel spricht, kein Schäfer rennt,
und niemand beugt sich
und erkennt die Grösse und die Güte.

Wie lässt sich das vereinen:
der Stern war da, der Engel rief,
der Schäfer mit den Weisen lief
und kniete vor dem Kleinen.

Auch sie sind nicht geblieben,
die beiden mit dem kleinen Kind.
Ob sie schon an der Grenze sind,
geflüchtet und vertrieben?

Was soll ich weiterfragen.
Ich habe manches mitgemacht
– wem trau ich mehr: der einen Nacht
oder den vielen Tagen?

Gerhard Valentin, in: Blarr, Oskar Gottlieb, Ich singe dir ein Weihnachtslied, Strube Verlag VS 6315

Nun ist es schon fast vorbei, Weihnachten 2010.

Das schöne Weihnachtsfest, die Ruhe, die „Kuscheligkeit“, die Besinnlichkeit. Der Weihnachtsbaum – nadelt er schon?

Wir haben etwas mehr Zeit gehabt für uns, für die Familie. – einigen hat der Schnee noch mehr Zeit geschenkt, weil einiges nicht mehr ging. Da musste man absagen – „Nein, wir können nicht mehr kommen. Durch den Schnee kommt keiner mehr durch!“

Da kann man auch sehen, wie das mit Wünschen so ist. Wie oft haben wir uns weiße Weihnachten gewünscht – als ob davon Weihnachten abhinge. Jetzt haben wir das Gewünschte – da wird vielen das Schneeschippen schon zu viel. Und die Autos gehorchen auch nicht mehr…

Genug gegessen haben wir, die Geschenke bestaunt, die neue Bluse in den Kleiderschrank und die ersten Bücher ins Regal geräumt. Die Spiele wurden auch schon einmal gespielt – der Reiz des Neuen ist auch nicht mehr.

Langsam kehrt der Alltag wieder: Aufräumen, das Geschenkpapier wegräumen, die Spülmaschine leer räumen, der Wäscheberg steigt. die Waschmaschine einräumen.

Und morgen ist gar Montag. Wie gut, das einige wenigstens noch Weihnachtsferien haben! Ansonsten – Rückkehr zur Tagesordnung. Oder?

Die Weisen sind gegangen.
Der Schall verklang, der Schein verging,
der Alltag hat in jedem Ding
nun wieder angefangen.

So war es auch damals:

Der Stern hatte sein Schuldigkeit getan. Er hatte auf Jesus hingewiesen. Die Weisen hatten Jesus gefunden. Also: Wozu noch? (Also kann ich den Stern vom Stall abnehmen.)

Die Engelerscheinung – schnell vergessen. Das hatten ja nur die Hirten erlebt. Gut, sie hatten es weitererzählt. Wie aber werden die Menschen darauf reagiert haben? „Glaub ich nicht!“ „Ihr spinnt.“ „Das habt ihr euch in eurer Langeweile ausgedacht.“ „Gibt‘s doch gar nicht!“

Die Nächte bei den Schafen draußen waren wieder wie immer. Kalt und lang, ungemütlich. Immer auf der Hut sein, dass nichts passiert. Am Lagerfeuer nicht einschlafen: Wachen!

Die Hirten waren zurückgekehrt. Was immer sie beredeten, was immer sie verstanden hatten oder behalten – eines war sicher. Jetzt mussten sie warten. Aus dem Kind musste erst einmal ein Mann werden. Und das würde dauern. 18 Jahre? 25? Man würde sehen. Der Alltag ging jetzt erst einmal weiter. Die Schafe würden schon das ihre fordern: Nahrung. Sauberes Wasser. Sie mussten geschoren werden. Man musste nach ihnen sehen.

Auch die Weisen waren zurückkehrt. Vor 2000 Jahren. Einen Fürsten in der Krippe hatten sie vorgefunden. Naja, irgendwie würde das schon stimmen. Irgendwie war das schon besonders gewesen. Das hatte es etwas. Aber was? Ein besonderer Frieden? Gottes Liebe und Güte wurde plötzlich spürbar. In diesem Kind. Aber wie soll man das zu Hause berichten?

Man würde eben warten müssen. Einfach warten, was noch geschehen wird. Eines Tages. Zu Herodes zurückkehren und nachfragen kam allerdings nicht in Frage. Der Typ war zu merkwürdig.

Gegen die Verhältnisse am Königshof war das mit dem König in der Krippe geradezu normal. Aber von diesem merkwürdigen Herodes hatten sie ja schon vorher gehört. 10 Ehefrauen, zahllose politisch motivierte Morde, teilweise unter merkwürdigen Umständen. Und jetzt die Weisung im Traum: Geht direkt zurück nach Hause! – Nichts lieber als das.

(Die Krippenlandschaft wird halb zugedeckt.) Alles vorbei, der Alltag deckt alles zu!

Die Weisen sind gegangen.
Der Schall verklang, der Schein verging,
der Alltag hat in jedem Ding
nun wieder angefangen.

Der Wanderstern verglühte,
kein Engel spricht, kein Schäfer rennt,
und niemand beugt sich
und erkennt die Grösse und die Güte.

Wie lässt sich das vereinen:
der Stern war da, der Engel rief,
der Schäfer mit den Weisen lief
und kniete vor dem Kleinen.

Ja, wie lässt sich das alles vereinen: Stern und Engel, Hirten und Weise, das passt doch nicht zusammen. Was hat ein Weiser mit einem Hirten zu tun? Das gibt es nicht! Das wollen wir gar nicht sehen müssen!

Was haben die Engel von Bethlehem mit uns zu tun? Und gar der Stern? Wo sind die Hirten geblieben?

Wie lässt sich das mit einem normalen Alltagsleben vereinen? Das geht doch überhaupt nicht!

Gott anbeten? Sich von Gott sagen lassen, wo es lang geht? Am besten, wir decken die Stall ganz zu, (Die Krippenlandschaft wird jetzt völlig verdeckt.)

Raus mit Gott aus dem Alltag, lass die Bibel verstauben, das Kreuz nehmen wir von der Wand, sonst glauben die Leute noch, wir würden an Jesus glauben, wie peinlich! Vor Tisch beten – man könnte uns für fromm halten, und das passt doch nicht in unsere Zeit. Das ist doch nicht modern! Das tut man doch nicht! Ich lass mir von der Kirche doch nicht sagen…

aber Moment:

Wer ist denn die Kirche – das sind wir doch selber! Und ausserdem hat die Kirche gar nichts gesagt. Wenn hier jemand jemandem etwas sagt, dann ist es Gott!

Das mit dem Kreuz an der Wand war doch meine eigene Idee. Es erinnert mich an Jesus – Jesus für mich. Das ist mir wichtig. Soll das Kreuz lieber hängen bleiben.

Egal was die Leute sagen. Da kann ich ruhig vor dem Essen beten. Warum nicht? Wenn Gott für mich sorgt, dass ich zu essen habe – warum nicht danke sagen? warum nicht um seine Segen bitten: das das Essen gut für mich ist.

Und die Bibel – da hat Gott so oft zu mir draus gesprochen: das brauche ich, dass er das tut. Wie soll ich sonst seinen Willen erfahren? Wie soll ich sonst den Weg zu ihm finden?

Ich lasse mir die Bibel nicht nehmen. Das Gebet nicht. Und nicht das Kreuz. Und wenn wir auch nur einmal im Jahr an die Heilige Nacht denken – der Zauber dieser Nacht soll bei mir bleiben. Die Botschaft soll bei mir bleiben. Jesus soll bei mir bleiben.

So vereint sich das. Engel und Stern, Hirten und Weisen: in dieser Nacht sind sie verbunden. Sie weisen auf Jesus hin und erzählen von ihm. Bis heute.

Das will ich nicht verdecken – das kann man nicht verdecken. Ja, für sich selber kann man es verstecken. Aber es bleibt doch da. Auch mit der Decke sieht man, da ist doch etwas.

Aber wenn ich die Krippe sehe (Das Aufdecken der Krippenlandschaft beginnt), dann weiss ich, dass alles wirklich ist. Jesus wurde geboren, Gottes Sohn für mich und für dich. Das ist gewiss.

Wenn ich die Krippe sehe, dann weiß ich, das ich nicht allein bin, sondern Gott bei mir ist, auch wenn ich es nicht spüre. Dann weiß ich, dass Gott alles, aber auch alles tut, um mich zu sich zu führen.

Dieser einen Nacht kann ich trauen. Wegen dem Kind in der Krippe, aus dem wirklich ein Priester, ein Prophet, ein König wurde. Der König der Könige. Der Weltenherrscher.

Hinter dem Kreuz an der Wand hängt unsichtbar diese eine Nacht der Geburt. Dahinter hängt: Gott wird Mensch dir Mensch zugute. Also auch mir.Auch dir.

Das Kreuz steht zwischen Weihnachten und Ostern. Es ist ein Zeichen der Hoffnung und der Gewissheit. Der Gewissheit der einen Nacht von Bethlehem. Das Kreuz lasse ich lieber hängen.

Sicher, es geschieht so viel. Das Leben ist manchmal schwierig. Aber auch für Maria und Josef und das neugeborene Kind ging es nicht so einfach weiter. Auch sie mussten so einiges mitmachen.

Die Flucht nach Ägypten. Das Leben in der Fremde. War es schwierig für Josef, Arbeit zu finden?

Die Weisen sind gegangen. Aber die Wirkung der Nacht ist nicht vergangen. An der Krippe in Bethlehem war schon bald niemand mehr zu finden außer vielleicht ein paar Schafen.

Heute aber stehen Krippen in der ganzen Welt. Weihnachtskrippen, aufgebaut in vielen Häusern und Kirchen. Zeichen der einen Nacht.

Wir nach 2010 Jahren, wir spüren die Wirkung der Nacht immer noch. In ihr hat Gott sein Werk begonnen, uns zu erlösen. Frieden möglich zu machen. Frieden mit ihm.

Dieser Nacht kann man wirklich trauen.

Wie lässt sich das vereinen:
der Stern war da, der Engel rief,
der Schäfer mit den Weisen lief
und kniete vor dem Kleinen.

Auch sie sind nicht geblieben,
die beiden mit dem kleinen Kind.
Ob sie schon an der Grenze sind,
geflüchtet und vertrieben?

Was soll ich weiterfragen.
Ich habe manches mitgemacht
– wem trau ich mehr: der einen Nacht
oder den vielen Tagen?

Amen.

 

Pfr Winfried S. Küttner, PhD

Erlöserkirchengemeinde Düsseldorf
Eichendorffstr. 7
40474 Düsseldorf

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