„Und das hast Du wirklich gemacht?“ Sie wog ihren Kopf zwischen den Schultern. Er hatte wirklich Ideen! Und Mut!
„An Erntedank wollen die Menschen doch einen ganzen Obst-und Gemüseladen vor dem Altar sehen. Fülle und Farbe. Buntes zu betrachten! Und nicht bloß einen Sack Kartoffeln!“
„Ja, bloß ein Sack Kartoffeln. Genau das.
Meine Nachbarin sagte neulich: Kartoffeln sind einfach toll. Die kann man immer essen.
Und wir – wir wollen Gott dafür danken, dass wir die Kartoffel haben, die die Hungersnot in Preußen besiegt hat. Hunger ist etwas Schreckliches – ich hoffe sehr, dass das hier niemand mehr erfahren muss.
Kartoffeln – das ist ein Essen, eine Speise, wie Paulus an Timotheus schreibt, die wir mit Danksagung empfangen.
„…denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet“.
So beten wir, bevor wir essen, und danken Gott, von dem wir das Essen haben.
Und das Wort Gottes? Zum einen hat Gott zu Adam gesagt: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zurückkehrst zum Erdboden; denn von ihm bist du genommen.“ Das klingt so nicht gut. Aber das kommt aus der Situation, in der Gott hier spricht. Adam und Eva
werden aus dem Paradies vertrieben. Da brauchten sie nicht arbeiten, bis sie schwitzten – und dann weiter. Aber Gott sagt hier eben auch: Du sollst dein Brot essen! Und mit Brot ist alles gemeint, was wir essen können. Also auch die Butter auf dem Brot und die Scheibe Wurst oder Käse. Und der Apfel. Und so fort.“
Sie nickte. Und wurde ganz dankbar. Wie gut es ihnen doch ging. Nein, Hunger kannten sie nicht. Hunger, der Hundertausende vor fast zweihundert Jahren nach Amerika vertrieben hatte. Hunger, der apathisch macht. Und dann wird alles noch schlimmer.
Er fuhr fort: „Die Kartoffeln waren natürlich nur etwas zum Vergleichen. Gott hat uns das Brot und die Nahrungsmittel gegeben, dass wir leben können. Und Nahrungsmittel sind vielseitig. Was kann man nicht alles aus Kartoffeln machen – sogar Brot und Schnaps, Stärke und Puder.
Und so, wie die Kartoffeln nahrhaft und vielseitig ist, so ist es auch das Wort Gottes, wie wir es in der Bibel lesen.
Und nun denkt mal: Wer nicht isst, dessen Körper verhungert. Wer aber gesund ist, der kann wachsen und stark werden
Wer nicht in der Bibel liest, dessen Glaube verhungert. Wer aber auf Gott hört, der kann wachsen und stark werden im Glauben.
Und Glauben an Gott heißt: Gott vertrauen.“
Sie schüttete noch etwas Tee nach. Er nahm sich noch einen Keks. Zu einem guten Tee gehört ein guter Keks. Wer hatte das noch gesagt? Ach ja, Ilse.
„Vertrauen: Wenn ich sage: Springe vom Tisch herunter, ich fange dich auf. Und du weißt, dass ich das auch mache. Den großen Steffen kann ich natürlich nicht auffangen, dazu bin ich nicht stark genug. Aber die kleine Elisabeth fange ich auf. Darauf kann sie vertrauen.
Und Gott fängt dich auf. Darauf kannst du vertrauen! Der ist stark genug!“
Aber Paulus schrieb noch etwas mehr an Timotheus, Es gab damals Leute, die behaupteten, dass man manche Dinge nicht essen dürfe. Dadurch würde man unrein vor Gott.
Und Paulus sagt: Das ist Quatsch. Kein Mensch kann vor Gott rein sein, kein Mensch kann vor Gott bestehen. Gewiss, manches soll man nicht essen, Giftige Pilze zum Beispiel. Aber das muss man ja auch nicht. Hingegen kann man alles andere essen. Das macht uns vor Gott nicht schlechter. Und wenn wir fasten – das macht uns vor Gott nicht besser. Aber Fasten kann uns helfen, genau das zu erkennen.
Es gibt nur eines, besser: Einen, der macht, dass wir vor Gott bestehen können. Es gibt nur einen, der uns rein vor Gott macht, rein von aller Sünde, weil er sie uns wegnimmt und für uns trägt. Ahnst du, wer das ist? Richtig, es ist Jesus Christus.
Auch das lesen wir in der Bibel. Es gibt Leute, die die Bibel verachten. Die Gottes Wort verachten. Das wollen wir nicht tun. Wir wissen, dann verhungert unsere Seele. „So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.“ Das steht es im Brief des Paulus an die Römer. Ohne die Bibel kann ich über die Kartoffel reden. Aber unserem Glauben würde das nichts nützen.
Es gibt Leute, die reden schlecht über die Bibel. So als würde man sagen: Heute ist Erntedankfest, und du legst da bloß einen Sack Kartoffeln hin und sonst nichts.
Aber, wie die Nachbarin sagte: Kartoffel geht immer. Sie hat nämlich einen inneren Reichtum. So ist es mit der Bibel. Man muss sie schon öffnen. Dann findet man ihren inneren Reichtum. Stück für Stück.
Es gibt Leute, die sagen, sie seien Christen. Sie gehen sogar manchmal zum Gottesdienst. Sogar zum Abendmahl. Und dann lesen sie doch nicht in der Bibel. Sie behaupten sogar, das sei nicht nötig. Das wäre auch immer so gewesen. Was so nicht stimmt – übrigens!
Und was passiert mit ihnen? In ihrem Glauben bleiben sie Babies. So als würde unser kleiner Johann mit seinen acht Monaten nie wachsen. Nie sprechen lernen. Immer in die Windel machen. Ja, wie soll der denn dann das Leben verstehen?
Die Herbstferien hießen früher Kartoffelferien. Sie wurden ausgerufen, wenn die Kartoffeln geerntet werden mussten, weil sie reif waren. Mit großem Eifer half, wer nur konnte. Das war total wichtig! Und wenn die Ernte gut war und gesichert eingelagert, dann konnte es ruhig Winter werden, dann konnte die Kälte kommen und der Schnee, dann mochte es früher dunkel werden.
Die Menschen würden satt sein – dann kann man auch die Kälte ertragen. In Ostpreußen, da war es oft so galt wie in Schweden und Alaska. Na und! Das Feuer im Ofen wärmte, alle saßen da herum. Und machten es sich behaglich.
Ja, so eifrig sollten wir uns auch um das Wort Gottes kümmern. Das machen wir aber nicht nur im Gottesdienst und auf Freizeiten und im Konfirmationsunterricht. Das reicht nämlich nicht.
Wir haben das ganze Jahr über Bibelferien. Nicht Ferien von der Bibel, sondern FÜR die Bibel. Das ist die Zeit, die wir uns für Gott nehmen. Jeden Tag. Dann wächst unser Glaube: versprochen! Und kann es auch Tage oder Wochen geben, die schwierig sind. An denen wir nicht verstehen, was das nun wieder soll. Die Kälte im Leben, der Winter. Wenn wir gewohnt sind, mit der Bibel zu leben, mit Gottes Wort in unseren Leben, dann geht es einfacher, im Winter des Lebens Gottes Stimme zu hören.“
Er stand auf. „Ich muss noch weiter. Aber verstehst du: So toll ist Erntedank: Ein riesengroßes Dankeschön, lieber Gott, dass du die Saat auf den Felder hast wachsen und reifen lassen und wir nun unser tägliches Brot haben können. Ein riesengroßes Dankeschön, lieber Gott, dass du die Äpfel und Birnen und Pflaumen und Himbeeren und noch viel mehr und hast wachsen lassen und wir uns an ihrem Geschmack erfreuen können. Dass wir das überhaupt schmecken können. Danke, dass wir verstehen, dass wir danken können: Für unser tägliches Brot – und, lieber Gott, für Dein Wort, dein reiches Wort, Fülle und Farbe, Buntes zu betrachten! Dein Wort, das uns von Jesus berichtet. Dass wir danken können – für Dich, für Jesus Christus.“
„Nu“, sagte er, das war ja schon fast ein Gebet. „Lassen Sie uns noch zusammen das VaterUnser beten. Soviel Zeit ist. Immer.“
WSK
